DIE ZEIT 38/2005
Beim Millenniumstreffen der Vereinten Nationen wird wieder einmal über die Rettung Afrikas diskutiert. Trotz 1000 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe wächst die Armut weiter. Zu den schlimmsten Entwicklungsblockaden zählen Aberglaube und Angst.
Von Bartholomäus Grill
Die Armut halbieren. Die Kindersterblichkeit senken. Den Hunger besiegen. Die Aids-Pandemie stoppen. Es sind wieder einmal noble Ziele, die sich die Vereinten Nationen im Rahmen ihres Millenniumsprogramms bis zum Jahre 2015 gesteckt haben. Diese Woche ziehen sie in New York Zwischenbilanz. Man ist weit hinter dem Plansoll. Man muss mehr tun, viel mehr, ganz besonders in Afrika. Mehr Schulen. Mehr Brunnen. Mehr Projekte. Mehr Geld. Da bleibt keine Zeit für Zweifel oder defätistische Fragen wie: Was haben eigentlich die rund eintausend Milliarden Dollar Entwicklungshilfe bewirkt, die seit dem Ende der Kolonialzeit nach Afrika geflossen sind? Warum ist die Armut trotzdem gewachsen? Woran ist die Modernisierung gescheitert?
Weil sich ihr die rückständigen, mediokren, abergläubischen Afrikaner systematisch verweigern, behaupten afrikanische Intellektuelle. Der Philosoph Valentin Yves Mudimbe zählt den esprit sorcier, den Hexenglauben, zu den größten Entwicklungsblockaden Afrikas. Wäre der Mann nicht Kongolese, er geriete unter Rassismusverdacht. Denn dass die Misere zwischen Dakar und Daressalam auch etwas mit den Afrikanern selbst zu tun haben könnte, mit ihrer Kultur, ihren Traditionen, ihrem Glauben, ihrer Mentalität, ist in der westlichen Dritte-Welt-Gemeinde ein geradezu unanständiger Gedanke. Die Afrikaner haben Opfer zu sein. Mit Ausnahme von ein paar Despoten und Kleptokraten sind ausschließlich sinistere Außenmächte – die Weltbank, die globale Handelsunordnung, der Neokolonialismus – verantwortlich für sämtliche Fehlentwicklungen.
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